Landkreisbibliothek im Anne-Frank-Gymnasium Erding, Mediensuche

Autor	Titel Verlag	Systematik	Medium (Bilder aus)	Sofort ausleihbar?
Hacke, Axel	Auf mich hört ja keiner Kunstmann, München (1999) Standort: Hac Schlagworte: Alltagsgeschichten, Humor, Satiren, Unterhaltsames Details hier Inhalt: Kurzbeschreibung: Ein neuer Band mit Berichten Axel Hackes über seinen zermürbenden, nervtötenden, wahnwitzigen und in jedem Fall ganz und gar normalen Alltag. Seine Geschichten handeln von neuerworbenen Handys, welche versprochene Dienste versagen, von ewig schlüsselbundsuchenden Ehefrauen, von launischen Möbelhändlern oder vom großen Angriff der Geheimzahlen auf unser kleines Gedächtnis. Lesermeinung aus dem Internet: Eine Leserin oder ein Leser aus Deutschland , 22. Oktober 1999 umwerfend charmant - Ein Menschenlieber IKEA ist die Vorhölle am Stadtrand, und Fleißige Lieschen machen beim Wachsen ein feucht-quietschendes Geräusch. Wenn Axel Hacke mor-gens aufsteht, müssen seine Sinne schon so scharf sein wie bei einem Luchs. Vom ersten Augenaufschlag an tranchiert der Kolumnist der Süd-deutschen jede Nanosekunde Alltag. Er wütet und hetzt jedoch nur ganz wenig gegen die Möbelhändler, die immer Feierabend haben. In Wirk-lichkeit ist Axel Hacke ein Menschenlieber. Er klingt eher ein wenig be-trübt darüber, daß Taxifahrer partout nie Wechselgeld haben und er deswegen der Taxifahrerquäler sein muß. Axel Hacke ist ein ganz nor-maler, treuer, manchmal zermürbt schlafloser Vater eines Kleinkinds, vor dem der Tag unüberwindliche Klippen emporschnellen läßt. Zum Glück hat er zum Ausheulen immer noch den liebenswert-paranoiden Kühl-schrank Bosch. Neu ist dieser Hacke nicht, denn die Kellnerwinkmaschi-ne und den Schlüsselbundsuchhund gab's alle schon mal im SZ-Magazin. Aber die waren nicht illustriert von Thomas Matthaeus Müller. Und so geballtes Scheitern am Alltag ist einfach umwerfend charmant. Umfang: 153 S. : Ill. Standort: Hac ISBN: 978-3-88897-222-5	0	Schöne Literatur Medienbild durch buchhandel.de	Ja, ist verfügbar. In Merkzettel aufnehmen nicht möglich, Hinweis dazu hier...
Schulze, Ingo	dtv 33 [Dreiunddreißig] Augenblicke des Glücks (Band 12354) aus den abenteuerlichen Aufzeichnungen der Deutschen in Piter Dt. Taschenbuch Verl., München (1998) Standort: Schul Schlagworte: Alltag, Alltagsgeschichten, Belletristische Darstellung, Fiktionale Darstellung, Gegenwartsliteratur , Moderne Prosa, Sankt Petersburg, St. Petersburg Details hier Inhalt: Pförtner und Mafiosi, Huren und biedere Kaufleute erleben unerwartete, gar absonderliche Glücksmomente im postkommunistischen Petersburg. Besprechung: Im Alltag des heutigen Petersburg meist ganz unerwartete, gar absonderliche Momente des Glücks flackern auf, verlöschen. Schulze, der junge deutsche Fremdling, verfremdet in seinem faszinierenden Debüt die mörderische, makabre Exotik im postkommunistischen Rußland zu einem Schauerbild menschlicher Abgründe und zugleich zu einer Hommage an nicht ausrottbare Menschlichkeit. Er begibt sich dabei auf einen zuweilen fast surrealen, dann wieder brutal realistischen Trip durch eine Gesellschaft im Umbruch, an der Kippe zum Untergang. Die novellistisch zugespitzten Geschichten, ein virtuoser Mix aus besten russischen und deutschen Erzähltraditionen, sind weit mehr als nur ein saisonales Medienereignis. (Gert Kreusel) Hochgelobtes Debüt des Autors Umfang: 269 S. Standort: Schul ISBN: 978-3-423-12354-9	0	Schöne Literatur Medienbild durch buchhandel.de	Ja, ist verfügbar. In Merkzettel aufnehmen nicht möglich, Hinweis dazu hier...
Schulze, Ingo	Simple Storys ein Roman aus der ostdeutschen Provinz Bertelsmann [u.a.], Rheda-Wiedenbrück [u.a.] (1998) Standort: Schul Schlagworte: Alltagsgeschichten, Gegenwartsliteratur , Moderne Prosa, Wenderoman Details hier Inhalt: Kurzbeschreibung: Mit seinem lakonischen, gänzlich unpathetischen Stil an die Tradition der amerikanischen Short Story anknüpfend, erzählt Schulze scheinbar einfache Geschichten. Was den Bewohnern der ostthüringischen Kleinstadt Altenburg, eines in der DDR verfallenen architektontichen Kleinods inmitten von Uran- und Kohleabbau, in diesem 'Simplen Storys' widerfährt, erscheint auf den ersten Blick nicht weiter ungewöhnlich. Und doch offenbart sich in den vielen kleinen Alltagsbegebenheiten das Zusammenstürzen einer ganzen Welt, jener traumatische Bruch, der sich nach 1990 durch so viele ostdeutsche Biographien zieht. Und so zeichnet er völlig unsentimental die Hoffnung und Hilflosigkeit, die Irrungen und Wirrungen und vielen tragikomischen Situationen, mit denen die Bewohner der ehemaligen DDR tagtäglich konfrontiert werden - befreit von einer Mauer, die sowohl Tragödien zeitigte als auch Sicherheiten gewährte. Spiegel-Rezension (02.03.98/ Nr. 10); Glücksritter auf Tauchstation Ingo Schulze hat den langersehnten Roman über das vereinigte Deutschland geschrieben: "Simple Storys" ist ein Buch zum Staunen und zum Fürchten. Von Wolfgang Höbel: Ossis am Rande des Nervenzusammenbruchs: Immerzu blicken sie nach vorn, beißen die Zähne zusammen und rackern für eine ungewisse Zukunft. Keine Zeit, um zurückzuschauen; keine Kraft, um zu trauern über die Dinge und Menschen, die auf der Strecke blieben; keine Lust, noch mal die Schlachten zu schlagen, die für immer verloren sind. Allesamt sind sie aus der Welt gefallen, die Helden jener 29 "simplen Storys", die Ingo Schulze zu einem Roman verwoben hat - herausgefallen aus der überschaubaren, windstillen Gesellschaft der DDR, hineingefallen in das undurchsichtige,von eisigen Böen durchwehte Durcheinander des neuen, vereinigten Deutschland. Sie arbeiten als Kellnerin oder als Sekretärin, als Taxiunternehmer und als Zeitungsschreiber, im Museum und im Krankenhaus; sie stürzen sich in die Politik und, wenn alle Hoffnung zum Teufel ist, auch kopfüber ins Treppenhaus, wonach das Blut aus Mund und Nase rinnt. Für sentimentale Erinnerungen haben diese traurigen Glücksritter nichts übrig, und nur in Momenten äußerster Bitterkeit schleudern sie ihren Gefährten Sätze ins Gesicht wie: "89 hättest du nie so gesprochen, nie!" Es sieht ganz so aus, als sei Schulze mit "Simple Storys" jener Wende-Roman, jenes Porträt des vereinigten Deutschland gelungen, von dem die Literaturkritiker in ihren Sehnsuchtsstunden am Laptop delirieren: Eine Geschichtensammlung "aus der ostdeutschen Provinz" (wie es im Untertitel heißt), die mit scheinbar mitleidloser Präzision die Schicksale und seelischen Beschädigungen abbildet, welche das Zusammenwachsen von West und Ost im Leben von rund zwei Dutzend Bewohnern der Thüringer Kleinstadt Altenburg angerichtet hat. Schulze, 35, ist in Dresden geboren und arbeitete in Altenburg zunächst als Theaterdramaturg. Nach der Wende und dem Sieg des Kapitalismus schrieb er journalistische Texte für eine politisch ambitionierte Wochenzeitung und gründete dann, gemäß den Gesetzen von Angebot und Nachfrage, ein einträgliches Anzeigenblatt. 1993 lebte er ein halbes Jahr in St. Petersburg, wo er ein ähnliches Blatt mitaufbauen half. Vor zwei Jahren veröffentlichte Schulze, der mittlerweile in Berlin lebt, eine Sammlung von St. Petersburger Geschichten. Darin schilderte er das wilde, mörderische Wirrwarr im postkommunistischen Rußland - und wurde dafür nicht bloß mit Preisen überhäuft, sondern auch zu einem Streitfall für die Kritiker: Die einen priesen den Ostdeutschen als staunenswertes Talent, als belesenen Stimmenimitator und Stilvirtuosen, die anderen schmähten ihn als fingerfertigen Konfektionsschreiber ohne Herz und Heimat. "33 Augenblicke des Glücks" hieß Schulzes literarisches Debüt, und all jene, die an diesem Buch herumnörgelten, weil es sich an Dichtervorbildern von Tolstoi bis Mandelstam sowie am exotischen Zauber des russischen Schauplatzes berausche, statt Eigenes, Selbsterlittenes vor dem Leser auszubreiten, dürfen sich durch die "simplen Storys" nun sowohl bestätigt als auch widerlegt fühlen: Das neue Buch schildert 29 Augenblicke eines namenlosen, den Helden nur halbbewußten Unheils - schon die Wendung von der Glückssuche zur Unglückserforschung belegt Schulzes Liebe zum Effekt. Wiederum handelt es sich um eine grandiose Demonstration erzählerischen Geschicks: Hier zeigt einer, daß er nicht bloß den Ton großer toter Russen draufhat, sondern auch den knappen, hartgesottenen Sound großer toter Amerikaner wie Sherwood Anderson und Raymond Carver. Und wie steht's mit dem Vorwurf mangelnder Warmherzigkeit? Abermals Bingo: Obwohl der Autor hier erkennbar von ihm nahestehenden Menschen berichtet, sind seine Geschichten kälter als der Tod. Schulze gestattet seinen Figuren keine Gefühle, keinen inneren Monolog. Er liefert nur Äußerlichkeiten. Jede der Storys erzählt eine abgeschlossene Geschichte, und erst allmählich merkt man, daß sich Personal und Handlung dieser protokollähnlichen Traktate überschneiden. Renate Meurer zum Beispiel, die mit einem einst streng parteitreuen Schuldirektor verheiratet ist, berichtet von der ersten Italienreise mit ihrem Gatten und davon, wie sich ein von ihrem Ehemann vor vielen Jahren geschaßter Lehrer auf dieser Italienreise für das erlittene Unrecht rächt. Die seltsame Geschichte eines Verkehrsunfalls, bei dem angeblich ein Dachs überfahren wurde. Zwei Begebenheiten, die zunächst offenbar nichts miteinander zu tun haben. Aus den Schilderungen von Renate Meurers Sohn Martin jedoch erfährt man schließlich, daß es vermutlich kein Dachs, sondern Martins fahrradfahrende Frau Andrea war, die bei diesem Unfall zu Tode kam. So schließen sich die Kreise dieser kurzen Geschichten, so fügen sich die Geschehnisse, die nach klassischer Novellenregel jeweils einen Menschen aus der Bahn werfen, zum Panoptikum eines Romans. Grausam sind fast alle Episoden in Schulzes Reigen, ob sie von flüchtigen Liebesakten im Gebüsch, Selbstgesprächen verlassener Männer oder trüben Geschäften handeln. Der Horror aber entsteht hier weniger aus Erzählerkalkül und jähen Todesfällen als aus der fortschreitenden Vereinzelung der Figuren, die allesamt Gottfried Benns Diktum zu folgen scheinen: "Wie soll man da leben? Man soll ja nicht." Schulze ist ein Spieler und Trickser, vor allem ein scharfer Beobachter. Mal starren zwei Frauen auf eine Aspirintablette, "die sich am Glasboden wie eine Flunder bewegte", mal sitzt ein Mann nachts nackt vor dem Fernseher und fröstelt beim Hautkontakt mit der neuerworbenen Ledercouch: All diese Details ergeben eine Atmosphäre der Bedrohung - es ist, als hätten sich die Dinge der gerade eroberten Konsumwelt gegen ihre Nutzer verschworen. Westdeutsche tauchen in Schulzes Porträt einer Übergangsgesellschaft (die vielleicht nun, da das Buch erscheint, schon historisch ist) nur am Rand auf; sie bleiben Phantome. Dafür sind die Segnungen ihrer Zivilisation um so präsenter: Im Treppenschacht des Arbeitsamtes hat man ein Fangnetz aufgespannt, um Selbstmorde zu verhindern - und was erkennen die Klienten des Hauses darin? Das "soziale Netz" der neuen Gemeinschaft. Die Poesie von Schulzes Porträts aber hat nichts mit solchen - seltenen - Pointen zu tun und auch nicht mit der manchmal nervtötenden Verrätselung einzelner Episoden. Lakonische Wucht gewinnen die Storys aus der Radikalität, mit der sich der Autor der Verlorenheit seiner Helden ergibt. Von den Schönheiten der einstigen Wettiner-Stadt Altenburg erfährt man hier nichts. Dafür von der Verzweiflung eines Mannes, der im Taucheranzug auf Schwimmflossen durch die Fußgängerzone der Stadt watschelt und Handzettel für ein Fischrestaurant verteilt - und dafür auch noch Prügel von einem Passanten bezieht. "Eigentlich sind wir Glückskinder", behauptet eine Schicksalsgefährtin des Flossenmannes einmal. Natürlich ist das der blanke Hohn - aber so blicken Ingo Schulzes Menschen nun mal auf die Welt: nicht links, nicht rechts und auf gar keinen Fall zurück. Sie betrachten Deutschland durch die Taucherbrille. (c) DER SPIEGEL ekz-Rezension: Mit "simpel" ist auch dieses zweite, in den Medien erneut stark Lizenz des Berlin Verlages. - Bertelsmann-Club Nr. 04126 9 Umfang: 302 S. Standort: Schul		Schöne Literatur	Ja, ist verfügbar. In Merkzettel aufnehmen nicht möglich, Hinweis dazu hier...

Inhalt: Kurzbeschreibung:
Mit seinem lakonischen, gänzlich unpathetischen Stil an die Tradition der amerikanischen Short Story anknüpfend, erzählt Schulze scheinbar einfache Geschichten. Was den Bewohnern der ostthüringischen Kleinstadt Altenburg, eines in der DDR verfallenen architektontichen Kleinods inmitten von Uran- und Kohleabbau, in diesem 'Simplen Storys' widerfährt, erscheint auf den ersten Blick nicht weiter ungewöhnlich. Und doch offenbart sich in den vielen kleinen Alltagsbegebenheiten das Zusammenstürzen einer ganzen Welt, jener traumatische Bruch, der sich nach 1990 durch so viele ostdeutsche Biographien zieht. Und so zeichnet er völlig unsentimental die Hoffnung und Hilflosigkeit, die Irrungen und Wirrungen und vielen tragikomischen Situationen, mit denen die Bewohner der ehemaligen DDR tagtäglich konfrontiert werden - befreit von einer Mauer, die sowohl Tragödien zeitigte als auch Sicherheiten gewährte.

Spiegel-Rezension (02.03.98/ Nr. 10);
Glücksritter auf Tauchstation
Ingo Schulze hat den langersehnten Roman über das vereinigte Deutschland geschrieben: "Simple Storys" ist ein Buch zum Staunen und zum Fürchten. Von Wolfgang Höbel:
Ossis am Rande des Nervenzusammenbruchs: Immerzu blicken sie nach vorn, beißen die Zähne zusammen und rackern für eine ungewisse Zukunft. Keine Zeit, um zurückzuschauen; keine Kraft, um zu trauern über die Dinge und Menschen, die auf der Strecke blieben; keine Lust, noch mal die Schlachten zu schlagen, die für immer verloren sind.
Allesamt sind sie aus der Welt gefallen, die Helden jener 29 "simplen Storys", die Ingo Schulze zu einem Roman verwoben hat - herausgefallen aus der überschaubaren, windstillen Gesellschaft der DDR, hineingefallen in das undurchsichtige,von eisigen Böen durchwehte Durcheinander des neuen, vereinigten Deutschland.
Sie arbeiten als Kellnerin oder als Sekretärin, als Taxiunternehmer und als Zeitungsschreiber, im Museum und im Krankenhaus; sie stürzen sich in die Politik und, wenn alle Hoffnung zum Teufel ist, auch kopfüber ins Treppenhaus, wonach das Blut aus Mund und Nase rinnt. Für sentimentale Erinnerungen haben diese traurigen Glücksritter nichts übrig, und nur in Momenten äußerster Bitterkeit schleudern sie ihren Gefährten Sätze ins Gesicht wie: "89 hättest du nie so gesprochen, nie!"
Es sieht ganz so aus, als sei Schulze mit "Simple Storys" jener Wende-Roman, jenes Porträt des vereinigten Deutschland gelungen, von dem die Literaturkritiker in ihren Sehnsuchtsstunden am Laptop delirieren: Eine Geschichtensammlung "aus der ostdeutschen Provinz" (wie es im Untertitel heißt), die mit scheinbar mitleidloser Präzision die Schicksale und seelischen Beschädigungen abbildet, welche das Zusammenwachsen von West und Ost im Leben von rund zwei Dutzend Bewohnern der Thüringer Kleinstadt Altenburg angerichtet hat.
Schulze, 35, ist in Dresden geboren und arbeitete in Altenburg zunächst als Theaterdramaturg. Nach der Wende und dem Sieg des Kapitalismus schrieb er journalistische Texte für eine politisch ambitionierte Wochenzeitung und gründete dann, gemäß den Gesetzen von Angebot und Nachfrage, ein einträgliches Anzeigenblatt. 1993 lebte er ein halbes Jahr in St. Petersburg, wo er ein ähnliches Blatt mitaufbauen half. Vor zwei Jahren veröffentlichte Schulze, der mittlerweile in Berlin lebt, eine Sammlung von St. Petersburger Geschichten. Darin schilderte er das wilde, mörderische Wirrwarr im postkommunistischen Rußland - und wurde dafür nicht bloß mit Preisen überhäuft, sondern auch zu einem Streitfall für die Kritiker: Die einen priesen den Ostdeutschen als staunenswertes Talent, als belesenen Stimmenimitator und Stilvirtuosen, die anderen schmähten ihn als fingerfertigen Konfektionsschreiber ohne Herz und Heimat.
"33 Augenblicke des Glücks" hieß Schulzes literarisches Debüt, und all jene, die an diesem Buch herumnörgelten, weil es sich an Dichtervorbildern von Tolstoi bis Mandelstam sowie am exotischen Zauber des russischen Schauplatzes berausche, statt Eigenes, Selbsterlittenes vor dem Leser auszubreiten, dürfen sich durch die "simplen Storys" nun sowohl bestätigt als auch widerlegt fühlen: Das neue Buch schildert 29 Augenblicke eines namenlosen, den Helden nur halbbewußten Unheils - schon die Wendung von der Glückssuche zur Unglückserforschung belegt Schulzes Liebe zum Effekt. Wiederum handelt es sich um eine grandiose Demonstration erzählerischen Geschicks: Hier zeigt einer, daß er nicht bloß den Ton großer toter Russen draufhat, sondern auch den knappen, hartgesottenen Sound großer toter Amerikaner wie Sherwood Anderson und Raymond Carver. Und wie steht's mit dem Vorwurf mangelnder Warmherzigkeit? Abermals Bingo: Obwohl der Autor hier erkennbar von ihm nahestehenden Menschen berichtet, sind seine Geschichten kälter als der Tod.
Schulze gestattet seinen Figuren keine Gefühle, keinen inneren Monolog. Er liefert nur Äußerlichkeiten. Jede der Storys erzählt eine abgeschlossene Geschichte, und erst allmählich merkt man, daß sich Personal und Handlung dieser protokollähnlichen Traktate überschneiden.
Renate Meurer zum Beispiel, die mit einem einst streng parteitreuen Schuldirektor verheiratet ist, berichtet von der ersten Italienreise mit ihrem Gatten und davon, wie sich ein von ihrem Ehemann vor vielen Jahren geschaßter Lehrer auf dieser Italienreise für das erlittene Unrecht rächt.
Die seltsame Geschichte eines Verkehrsunfalls, bei dem angeblich ein Dachs überfahren wurde.
Zwei Begebenheiten, die zunächst offenbar nichts miteinander zu tun haben. Aus den Schilderungen von Renate Meurers Sohn Martin jedoch erfährt man schließlich, daß es vermutlich kein Dachs, sondern Martins fahrradfahrende Frau Andrea war, die bei diesem Unfall zu Tode kam.
So schließen sich die Kreise dieser kurzen Geschichten, so fügen sich die Geschehnisse, die nach klassischer Novellenregel jeweils einen Menschen aus der Bahn werfen, zum Panoptikum eines Romans.
Grausam sind fast alle Episoden in Schulzes Reigen, ob sie von flüchtigen Liebesakten im Gebüsch, Selbstgesprächen verlassener Männer oder trüben Geschäften handeln. Der Horror aber entsteht hier weniger aus Erzählerkalkül und jähen Todesfällen als aus der fortschreitenden Vereinzelung der Figuren, die allesamt Gottfried Benns Diktum zu folgen scheinen: "Wie soll man da leben? Man soll ja nicht."
Schulze ist ein Spieler und Trickser, vor allem ein scharfer Beobachter. Mal starren zwei Frauen auf eine Aspirintablette, "die sich am Glasboden wie eine Flunder bewegte", mal sitzt ein Mann nachts nackt vor dem Fernseher und fröstelt beim Hautkontakt mit der neuerworbenen Ledercouch: All diese Details ergeben eine Atmosphäre der Bedrohung - es ist, als hätten sich die Dinge der gerade eroberten Konsumwelt gegen ihre Nutzer verschworen.
Westdeutsche tauchen in Schulzes Porträt einer Übergangsgesellschaft (die vielleicht nun, da das Buch erscheint, schon historisch ist) nur am Rand auf; sie bleiben Phantome. Dafür sind die Segnungen ihrer Zivilisation um so präsenter: Im Treppenschacht des Arbeitsamtes hat man ein Fangnetz aufgespannt, um Selbstmorde zu verhindern - und was erkennen die Klienten des Hauses darin? Das "soziale Netz" der neuen Gemeinschaft.
Die Poesie von Schulzes Porträts aber hat nichts mit solchen - seltenen - Pointen zu tun und auch nicht mit der manchmal nervtötenden Verrätselung einzelner Episoden. Lakonische Wucht gewinnen die Storys aus der Radikalität, mit der sich der Autor der Verlorenheit seiner Helden ergibt. Von den Schönheiten der einstigen Wettiner-Stadt Altenburg erfährt man hier nichts. Dafür von der Verzweiflung eines Mannes, der im Taucheranzug auf Schwimmflossen durch die Fußgängerzone der Stadt watschelt und Handzettel für ein Fischrestaurant verteilt - und dafür auch noch Prügel von einem Passanten bezieht.
"Eigentlich sind wir Glückskinder", behauptet eine Schicksalsgefährtin des Flossenmannes einmal. Natürlich ist das der blanke Hohn - aber so blicken Ingo Schulzes Menschen nun mal auf die Welt: nicht links, nicht rechts und auf gar keinen Fall zurück. Sie betrachten Deutschland durch die Taucherbrille.
(c) DER SPIEGEL

ekz-Rezension:
Mit "simpel" ist auch dieses zweite, in den Medien erneut stark

Lizenz des Berlin Verlages. - Bertelsmann-Club Nr. 04126 9
Umfang: 302 S.
Standort: Schul

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