Inhalt: Rezension 1 (von Ingo Schulze): Katja Lange-Müller gelingt etwas, das mir als Vorhaben aussichtlos erschienen wäre: Ohne Überzeichnung oder Leidensmiene, dafür mit Genauigkeit und mit Teilnahme von einem vegangenen Beruf und Milieu zu erzählen und die Leser zwischen Lachen und Gänsehaut im Gleichgewicht zu halten. Scheinbar beiläufig entfalten sich dabei Bilder und Metaphern, die selbstredend für das Heute Gültigkeit besitzen und die mich etwas wissender, etwas gelassener, etwas heiterer aus der Lektüre zurückkehren ließen. Rezension 2 (von Jana Hensel): Die Druckerei am Rande der DDR. Katja Lange-Müller erzählt in ihrem neuen Roman die Geschichte eines verschrobenen Arbeitskollektivs. Die Räder der Geschichte sind groß und viel ist schon darunter geraten, was wert gewesen wäre, unter Bestandsschutz gestellt zu werden. Die DDR ist erst vor einer Dekade verschwunden und doch ist schon sicher, was in den Lehrbüchern stehen wird. Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben -- das ist bekannt. Katja Lange-Müllers historischer Ort aber ist die kleine Druckerei von Udo Posbich. Am Rande der sozialistischen Planwirtschaft führt sie eine eher klägliche Existenz. Ein paar alte, abgestaubte Druckmaschinen und eine Handvoll verschrobener Nischenwesen und schon ist es komplett, das sozialistische Arbeitskollektiv. Hier hat jeder seine Macke. Fritz-Otto fühlt sich ausschließlich von Müttern angezogen, ist es doch noch gar nicht so lange her, daß er selbst entbunden hat. Sein Zwillingsbruder nämlich, den er Otto-Fritz getauft hat, und der jetzt am Grunde eines versiegelten Zylinderglases wohnt, hatte sich heimlich in seinem Körper eingenistet und Fritz-Ottos Kopf über Jahre hinweg mit mütterlichen Gefühlen gequält. Dagegen hört sich die katatone Schizophrenie, unter der Manfred leidet und die ihn dazu bringt, sich in Betonmischer und andere Maschinen zu verlieben, an wie ein Kinderspiel. Die linkshändige Setzerin Püppi gehört ebenso dazu. Sie hat, als Jüngste im Bunde, wie alle anderen auch das Land innerlich bereits verlassen, und widmet nun ihre Liebe einer Topfpflanze namens Gloxinie. Es sind diese Mikrokosmen, wie die Druckerei von Udo Posbich, die pars pro toto unter der Hand von dem Leben erzählen, das untergegangen ist mit dem Verschwinden der DDR. Nischenorte, Sammelpunkte verschrobener Existenzen, die sich an den Rändern jeder Gesellschaftsordnung bewegen und die in keinem Geschichtsbuch auftauchen. Doch sie sind es, die einen authentischen Blick auf das System lenken, von dem sie nicht berichten wollten und aus dem sie sich schon verabschiedet glaubten. --Jana Hensel Kurzbeschreibung: Wohl niemand, der diese Geschichte gelesen hat, wird so schnell das Panoptikum von Originalen, das Quartett der umwerfenden Verlierer-Typen vergessen, die in den späten siebziger Jahren die Belegschaft von Udo Posbichs privatem Satz und Druckereibetrieb in Ostberlin bildeten: Die ewig liebeskranke Püppi, die als linkshändige Setzerin vollständig neben der Spur fährt und ihre Sehnsucht nach Glück schließlich auf eine Topfpflanze projiziert, ein schizophrener Drucker mit reichlich düsterer Vergangenheit, dessen Gesprächspartner Geräte und Maschinen sind, oder ein Kollege, in dessen Lende einst sein parasitärer Zwillingsbruder steckte In einer virtuosen Sprache und mit einem einzigartigen Humor, durch den sie der Verzweiflung in der Welt Satz für Satz Paroli bietet, erzählt Katja Lange-Müller eine Geschichte vom Ende vom Ende eines Berufsstandes und einer Technologie, vom Ende der Schrift und einer sozialen Klasse. Und schließlich wird es die Geschichte einer sagenhaften subversiven Aktion, die hier auf keinen Fall verraten werden darf. Über die Autorin: Katja Lange-Müller ist 1951 in Ostberlin geboren. Sie lernte Schriftsetzer, arbeitete später als Hilfspflegerin auf psychiatrischen Stationen, lebte ein Jahr in der Mongolei und verließ die DDR 1984, fünf Jahre vor dem Mauerfall. 1986 erhielt sie den Ingeborg-Bachmann-Preis, 1995 den Alfred-Döblin-Preis für ihre zweiteilige Erzählung "Verfrühte Tierliebe". Bisherige Veröffentlichungen: "Wehleid Wie im Leben", 1986. Schlagworte:Belletristische Darstellung, Berlin , Fiktionale Darstellung, Gegenwartsliteratur , Geschichte <1978>, Gesellschaft, Mittelständischer Betrieb, Moderne Prosa Umfang: 135 S. Standort: Lan ISBN: 978-3-462-02929-1
0
Schöne Literatur
Landkreisbibliothek im Gymnasium Erding Ja, ist verfügbar.
Programm Findus Internet-OPAC findus.pl V20.241/8 auf Server windhund2.findus-internet-opac.de,
letztes Datenbankupdate: 31.10.2024, 19:06 Uhr. 166 Zugriffe im November 2024. Insgesamt 132.226 Zugriffe seit Januar 2011
Impressum - Datenschutz - CO2-Neutral